Sprachecke: Einst und jetzt |
Wochen Rundschau, Bad Ischl, 15. Mai 1996, Seite 7
In letzter Zeit wurde ich wiederholt kritisiert. Die Sprachecke sei so schwierig geworden. Keiner verstehe sie mehr.
Also etwas Leichteres: Jetzt fangen wir damit an entwickeln sich zusammengesetzte Hauptwörter, bei denen nicht mehr das Grundwort der Bedeutungsträger ist. Zur Not kann man auf das Grundwort verzichten: Zielvorstellung, Ideenvorschlag, Programmdarstellung, Abrechnungsvorlage.
Einst wurden zusammengesetzte Hauptwörter gebildet, bei denen das Bestimmungswort wenig Bedeutung hatte. Seine Existenz wurde nur als Verstärkung empfunden. Mit Logik hatte das oft nichts zu tun. Oft gehören die Wörter in den Dialektbereich mit lokaler Begrenzung.
Ein Beispiel: Er hat Schulden wie ein Stabsoffizier. Das Bestimmungswort Stab wird nur als Verstärkung empfunden, und dies bitte gegen jede Logik. Die Redewendung kommt aus der Kaiserzeit, als die jungen Offiziere schlecht bezahlt waren. Stabsoffiziere hatten schon ein höheres Einkommen, und die Schulden waren seltener. Aber die Sprache geht ihre eigenen Wege.
Als die Post noch Pferde hatte, müssen diese Tiere eine besonders rege Verdauung gehabt haben. Eine Person mit dieser Verdauung wird mit dem Postroß verglichen. Das Roß allein genügt nicht. Post dient zur Verstärkung.
Er schimpft nicht wie ein Kutscher. Nein, ein Bierkutscher muß es sein. Bier ist wieder eine Verstärkung ohne Logik.
Da schreit einer wie ein Zahnbrecher. So besagt es der Dialekt. Hier ist ausnahmsweise Zahn keine Verstärkung. Dieses Bestimmungswort ist für das Verständnis unentbehrlich. Allerdings ist die Redewendung falsch. Richtig wäre: Da schreit jemand wie einer beim Zahnbrecher. In früheren Jahrhunderten hatte der Vorgänger des Zahnarztes keine Spritze zum Zahnziehen zur Verfügung. Der Schmerz führte zum Schreien.
Ein Binder oder Faßbinder genügt nicht. Es muß ein Bürstenbinder sein, wenn es ums Saufen geht. Im Russischen schreibt man das einem Schuster zu, im Englischen einem Tier, dem Bläßhuhn (coot).
Auch die Hure hat in dieser Darstellung ihren Platz. Keine Sorge, ein Wort, das in Goethes Faust steht, kann überall verwendet werden. Wieder genügt die Hure nicht, es muß eine Badhure sein. Warum den Damen, die früher in öffentlichen Badeanstalten ihr Gewerbe ausübten, mehr Negatives nachgesagt wurde als denjenigen von der Straße und den Bars, weiß ich nicht. Wieder eine Verstärkung ohne Logik.
Im vorliegenden Fall gibt es keinen Vergleich. Man stellt nur fest, daß eine bestimmte Person eine Badhur sei. Die besondere grammatische Eigenheit: Das Wort kann ohne Wechsel des Artikels männlich sein. Das Wort ist auf dem Wiener Pflaster gewachsen und ein lieber Freund und Kamerad aus Wien war es, der im Krieg immer wieder behauptete, daß ein bestimmter preußischer Wachtmeister eine Badhur sei.
Dr. H. Laaber
Menschliche Sprachen | Dr. Laabers Sprachecke
Zuletzt aktualisiert am 21.
Sept. 1998 von
Robbin D. Knapp robb@robbsbooks.com